- Bank wies berechtigte Erstattungsansprüche eines Kunden ab
- Landgericht Frankfurt am Main gibt Klage der Verbraucherzentrale gegen flatexDegiro statt: Bank darf berechtigte Ansprüche eines Verbrauchers nicht unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zurückweisen
Nach Urteil des Bundesgerichtshofs (27.04.2021, BGH XI ZR 26/20) dürfen Banken Entgelterhöhungen nicht einseitig beschließen oder über Allgemeine Geschäftsbedingungen einführen. Kunden haben seit dem einen Anspruch auf Rückerstattung zu Unrecht erhobener Entgelte, doch viele Banken mauern. Mit einer falschen Tatsachenbehauptung verweigerte flatexDegiro einem Kunden die Erstattung bezahlter Verwahrentgelte. Diese Vorgehensweise wurde nun, nach Klage durch die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, vom Landgericht Frankfurt am 24.05.2022 für unzulässig erklärt (AZ 3-06 O 3/22; nicht rechtskräftig).
Ein Kunde der flatexDEGIRO forderte nach dem Grundsatzurteil des BGH Verwahrentgelte in Höhe von rund 400 Euro sowie Depotgebühren von rund 50 Euro von seiner Bank zurück. Die Bank erstattete nur die Depotgebühren nebst Zinsen, lehnte aber den Rückerstattungsanspruch bezüglich der Verwahrentgelte ab und behauptete, die vertragliche Grundlage für die Berechnung des negativen Guthabenzinssatzes sei eine im März 2017 mit dem Kunden „individuell getroffene Vereinbarung“. Tatsächlich hatte die Bank ihren Kunden im März 2017 angeschrieben und über die „Einführung von Negativzinsen auf Guthaben“ informiert. Ferner hatte sie mitgeteilt: „Sofern Sie sich für den Verbleib Ihrer Guthaben bei der biw AG entscheiden und Ihre Konten ab dem 15. März 2017 einen Habensaldo aufweisen, erachten wir dies als Ihr Einverständnis zur vorstehend dargestellten Belastung Ihrer Guthaben mit dem Negativzins. Es bedarf dann keiner weiteren Mitteilung durch Sie an uns.“
Das Gericht stellte hierzu klar, dass es sich bei dieser Mitteilung nicht um eine individuelle Vereinbarung handele. „Die Bank durfte weder Schweigen noch das Belassen eines Guthabensaldos als Zustimmung werten“, sagt Niels Nauhauser, Abteilungsleiter bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. „Besonders dreist am Verhalten der flatexDEGIRO ist, dass sie sich bei der Leugnung des Erstattungsanspruchs auf ein Formularschreiben bezieht, das im Ergebnis ein Schweigen als Zustimmung vorsieht und nach den Vorgaben des BGH deshalb keine Individualvereinbarung sein kann.“
Das Landgericht Frankfurt am Main urteilte im Sinne der klagenden Verbraucherzentrale und wertete die Behauptung der Bank unter anderem als „[…] zur Täuschung geeignet“. Mit dem Urteil ist es flatexDEGIRO künftig untersagt, Rückerstattungsansprüche von Kunden mit dieser wahrheitswidrigen Behauptung einer nicht existierenden individuell getroffenen Vereinbarung abzuwehren. Kundinnen und Kunden der flatexDEGIRO Bank, denen mitgeteilt wurde, dass die Bank die Entscheidung über den Verbleib von Guthaben ab dem 15.03.2017 als Einverständnis zur Belastung des Guthabens mit dem Negativzins erachtete, können sich wehren. Eine Zustimmung wurde nämlich mit Belassen des Habensaldos nicht erteilt. Die Verbraucherzentrale wird Betroffenen dazu einen Musterbrief zur Verfügung stellen, sobald das Urteil Rechtskraft erlangt hat.
„Wir erleben in unserer Beratung nahezu täglich, wie Banken sich gegen berechtigte Rückerstattungsansprüche von Kunden wehren“, so Nauhauser. „Diesem besonders dreisten Versuch wurde nun gerichtlich ein Riegel vorgeschoben.“ Über den Umgang der Banken mit Ansprüchen ihrer Kunden und weitere Verfahren informiert die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg auf ihrer Internetseite: https://www.vz-bw.de/node/68941.