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Glucosamin und Chondroitin - Hilfe bei Gelenkbeschwerden?

Stand:
"Gelenkkapseln" sollen Abnutzung, lädierte Hüften und schmerzende Knie verhindern. Doch der Nutzen der Produkte bei Gelenkerkrankungen ist fraglich. Die Mittel können sogar gesundheitliche Risiken mit sich bringen.
Gelenkbeschwerden

Das Wichtigste in Kürze:
Erst den Arzt fragen!

  • Nahrungsergänzungsmittel mit Glucosamin und Chondroitin dürfen nicht mit positiven Wirkungen auf die Gelenke beworben werden.
  • Wechselwirkungen mit Medikamenten wie Blutgerinnungshemmern sind möglich.
  • Gesundheitliche Risiken birgt die Einnahme von Glucosamin für Personen, die an Diabetes mellitus leiden.
  • Glucosamin kann für Menschen mit einer Krebstierallergie und Chondroitin für solche mit einer Fischallergie ein Problem sein.
  • Bei schmerzhaften Beschwerden sollten sinnvolle Behandlungsmöglichkeiten im ärztlichen Gespräch geklärt werden.
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Was steckt hinter der Werbung zu Glucosamin- und Chondroitin-Kapseln?

Glucosamin- und chondroitinhaltige Kapseln dürfen schon seit vielen Jahren nicht mehr für "gesunde Gelenke", "für die Beweglichkeit" und "für die Knorpelbildung" beworben werden. Wissenschaftlichen Beleg für eine präventive, also vorbeugende, struktur- und funktionserhaltende Wirkung solcher Nahrungsergänzungsmittel auf die Gelenke oder Knorpel von Gesunden, die nicht an Arthrose-/Gelenkbeschwerden leiden, fehlen nach Einschätzung von Institutionen wie der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit, dem Bundesinstitut für Risikobewertung und weiteren Wissenschaftler:innen.

Vielen Verbraucher:innen glauben jedoch, dass die Einnahme von Glucosamin- oder Chondroitin-haltigen Nahrungsergänzungen gesundheitlich etwas bringt. Die Anbieter schüren die Hoffnung, indem sie ihren Kapseln Vitamin C oder Zink zusetzen. Denn für diese Stoffe sind allgemeine gesundheitsbezogene Aussagen erlaubt, die den Knochen oder die normale Knorpelbildung betreffen. Das sind zum Beispiel: "Vitamin C trägt zu einer normalen Kollagenbildung bei" oder "Vitamin C trägt zu einer normalen Knorpel-/Knochenfunktion bei", "Zink trägt zum Erhalt der normalen Knochen bei".

Anbieter dieser Kapseln dürfen jedoch nicht behaupten, dass Glucosamin und Chondroitin den Knorpel wieder regenerieren oder wiederaufbauen können. Selbst der Begriff "Gelenk" im Produktnamen, die Werbung mit verbesserten Gelenkfunktionen sowie die Abbildung eines beweglichen Gelenkes sind nicht zulässig, da dies einen Wirkzusammenhang vermuten lässt, der nach Einschätzung von Experten nicht gegeben ist.

Das Bundesverwaltungsgericht entschied beispielsweise, dass der Name "Gelenktabletten plus" auf einem Nahrungsergänzungsmittel als unzulässige gesundheitsbezogene Angabe einzustufen ist. Nahrungsergänzungsmittel sind eben keine Arzneimittel und wirken auch nicht so.

Die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie bewertet in ihrer „S2k-Leitlinie Gonarthrose“ die Studienergebnisse zur symptomlindernden Wirkung von Glucosamin bei Kniearthrose als widersprüchlich. Dies wird von anderen, auch internationalen Fachgesellschaften ähnlich gesehen.
 

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Auf was sollte ich bei der Verwendung von Glucosamin- und Chondroitin-Produkten achten?

Grundsätzlich empfehlen wir, sich bei Gelenkbeschwerden, festgestellter Arthrose oder Arthritis mit Ihrem Arzt über sinnvolle Maßnahmen und Therapiemöglichkeiten zu besprechen, statt auf Verdacht teure, aber meist wenig hilfreiche "Gelenkpillen" als Nahrungsergänzung zu kaufen.

Es ist leider ein Problem, dass es für Nahrungsergänzungsmittel, anders als für Arzneimittel, keine vorgeschriebenen Qualitätskontrollen gibt - und so kommt es immer wieder zu Fälschungen und Betrug. Bei einer Untersuchung des Zentrallabors der Deutschen Apotheker war beispielsweise in zwei (in der Apotheke erhältlichen) Produkten gar kein Chondroitinsulfat enthalten, sondern stattdessen (billiges) Maltodextrin (ein Mehrfachzucker), was bei den üblichen Untersuchungsmethoden nicht auffällt. Verursacher war dabei nicht der Hersteller des Nahrungsergänzungsmittels, sondern dessen Zulieferer.

Dies nahm die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker zum Anlass, darauf hinzuweisen, dass die Qualität von Nahrungsergänzungsmitteln nicht mit der von Arzneimitteln gleichzusetzen ist. Mengenangaben auf der Verpackung dürfen bis zu 50 Prozent von der tatsächlich enthaltenen Menge abweichen, die Qualitätsprüfung jeder produzierten Charge ist nicht verpflichtend.

Wenn Sie die Produkte dennoch nehmen möchten, achten Sie bitte auf Folgendes:

  • Glucosamin kann den Blutzuckerspiegel beeinflussen. Personen, die an Diabetes mellitus leiden bzw. eine eingeschränkte Glukosetoleranz haben, wird daher bei Einnahme von Glucosamin eine Überwachung des Blutzuckerspiegels empfohlen. 
  • Glucosamin, das aus Krebstieren hergestellt wird, kann problematisch für Personen sein, die an einer Krebstierallergie leiden. Dieser Hinweis muss dann auch auf der Verpackung stehen. Bei Chondroitin besteht bei Produkten, die aus Fischgewebe gewonnen wurden, ein Risiko für Menschen mit einer Fischallergie.
  • Glucosaminhaltige Nahrungsergänzungsmittel können ein Gesundheitsrisiko bergen für Patienten, die Blutgerinnungshemmer (Cumarin-Antikoagulanzien) einnehmen. Glucosamin kann die blutgerinnungshemmende Wirkung der Medikamente verstärken und die Einnahme kann zu Blutungen führen. 
  • Für Chondroitin-haltige Produkte mit Dosierungen von 730 bis 1.000 Milligramm pro Tag werden gastrointestinale Beschwerden (Verdauungsstörungen, Bauchschmerzen, Durchfall, Übelkeit) sowie Kopfschmerzen oder Schwindelgefühl als häufige unerwünschte Wirkungen aufgeführt. 
  • Laut Bundesinstitut für Risikobewertung ist eine gesundheitliche Bewertung der Einnahme von Glucosamin und Chondroitin für Schwangere und Stillende sowie Kinder und Jugendliche wegen fehlender Daten nicht möglich, diese Personengruppen sollten daher besser auf die Einnahme verzichten.

Tipp der Verbraucherzentralen: 

Das wirksamste, anerkannte Mittel gegen fortschreitende Arthrose ist die körperliche Bewegung, besonders zu Beginn der Erkrankung. Sie regt den Stoffwechsel und die Durchblutung an, außerdem versorgt sie die Gelenksflüssigkeit mit Nährstoffen. Moderate Bewegung verbessert auch die Stabilität der Gelenke.

Ob Glucosamin oder Chondroitin in Form eines Arzneimittels in einer bestimmten Dosierung und Anwendungsdauer als Therapie gegen Arthrose eingesetzt werden können, sollten Ihre behandelnden Ärzt:innen entscheiden.

Medikamente und Therapien werden in der Regel von der Krankenkasse bezahlt, Nahrungsergänzungsmittel dagegen nicht.

Was sind Glucosamin und Chondroitin?

Glucosamin kommt im menschlichen Körper natürlich vor. Es ist Bestandteil des Bindegewebes, des Knorpels und der Gelenkflüssigkeit. Für die Verwendung in Nahrungsergänzungsmitteln wird Glucosamin hauptsächlich aus Krebstieren gewonnen. Meist wird die Verbindung Glucosaminsulfat verwendet.

Die Substanz Chondroitin (meist als Chondroitinsulfat erhältlich) ist im Gewebe an Eiweiße gekoppelt und ein Hauptbestandteil des Knorpels (griechisch Chondros) sowie der Knochen und des Bindegewebes. Chondroitin für Nahrungsergänzungsmittel wird nach Angaben des Untersuchungsamtes für Lebensmittel in Stuttgart aus Schlachtabfällen wie der Luftröhre von Rindern, aus Schweineohren oder -schnauzen sowie aus Haifischknorpeln oder Gewebe anderer Fische hergestellt.

Wie wirken Glucosamin und Chondroitin als Nahrungsergänzung?

Große Belastungen und altersbedingter Verschleiß der Gelenke können genauso wie zu wenig Bewegung eine schmerzhafte Arthrose verursachen. Chondroitin und Glucosamin sollen laut Werbung den Knorpel regenerieren. Doch erst einmal ist fraglich, ob die als Kapsel eingenommenen und als "Gelenknährstoffe" beworbenen Stoffe nach dem Verzehr den Knorpel im Gelenk überhaupt erreichen - denn die im Blut erreichten Wirkstoffspiegel sind sehr niedrig. Zudem ist unklar, ob die Stoffe tatsächlich eingebaut werden und den schadhaften Knorpel ausbessern können. Seine Fähigkeit zur Regeneration wird von Expert:innen prinzipiell als äußerst gering bis kaum möglich eingestuft. Arthrose lässt sich bisher nicht heilen.

Für eine mögliche (geringfügige) Wirkung der "Gelenknährstoffe" scheinen die Art und Schwere der Gelenkerkrankung, die sehr langfristige Dauer der Einnahme (mehr als drei Monate bis einige Jahre) eine wichtige Rolle zu spielen, ebenso die Dosierung und Zusammensetzung der Produkte. Sowohl bei Studien mit Nahrungsergänzungen als auch mit Arzneimitteln gibt es jedoch sehr widersprüchliche Ergebnisse – von einer (leichten) Verbesserung der Beschwerden bis zu keinem Unterschied im Vergleich zur Einnahme eines Placebos (Scheinmedikaments) oder einer Überlegenheit des Placebos.

 

Quellen:


Arbeitskreis Lebensmittelchemischer Sachverständiger: Stellungnahme 2016/42: Gelenkpräparate als Nahrungsergänzungsmittel mit zugelassenen gesundheitsbezogenen Angaben in Bezug zu Bindegewebe, Knorpel oder Knochen (zuletzt abgerufen am 19.11.2024)

Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) (2013): Glucosaminhaltige Nahrungsergänzungsmittel können ein Gesundheitsrisiko für Patienten darstellen, die Cumarin-Antikoagulantien als Blutgerinnungshemmer einnehmen. Stellungnahme Nr. 004/2010 des BfR vom 14.08.2009, ergänzt am 21.01.2013 (zuletzt abgerufen am 19.11.2024)

Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) (2018): Risikobewertung von Chondroitinsulfat in Nahrungsergänzungsmitteln Aktualisierte Stellungnahme Nr. 040/2018 des BfR vom 07.12.2018 (zuletzt abgerufen am 19.11.2024)

DocCheck-News vom 24.02.2017, Arthroseschmerz: Die Oops-Studie (zuletzt abgerufen am 19.11.2024)

Internationale Arthrosegesellschaft OARSI (2019), OARSI Guidelines/Clinical Trial Guidelines (zuletzt abgerufen am 19.11.2024)

Lerch, C (2013): Zerknirscht: Nahrungsergänzungsmittel für die Gelenkgesundheit – ein gutes Beispiel für eine schlechte Umsetzung der Health-Claims-VO durch die Unternehmen. Chemisches und Veterinäruntersuchungsamt Stuttgart (CVUA). Bericht erstmals erschienen am 29.05.2013 (zuletzt abgerufen am 19.11.2024)

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen IQWiG (2024): Kniearthrose (Gonarthrose), Stand: 10.04.2024 (zuletzt abgerufen am 19.11.2024)

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen IQWiG (2024): Hüftarthrose (Coxarthrose), Stand: 08.05.2024 (zuletzt abgerufen am 19.11.2024)

Gelenktabletten - Gesundheitsbezogene Angaben eines Markennamens. BVerwG 3 B 53.18, Beschluss vom 24.05.2019

Verordnung (EU) Nr. 1066/2013 der Kommission vom 30.10.2013 zur Nichtzulassung bestimmter anderer gesundheitsbezogener Angaben über Lebensmittel als Angaben über die Reduzierung eines Krankheitsrisikos sowie die Entwicklung und die Gesundheit von Kindern (Ablehnung eines Claims zu Glucosamin)

EFSA (2012): Scientific Opinion on the substantiation of a health claim related to glucosamine and maintenance of normal joint cartilage pursuant to Article 13(5) of Regulation (EC) No 1924/2006. EFSA Journal 2012;10(5):2691

Information der Institutionen und Behörden: AMK/ZL: Fehlender Inhaltsstoff bei Chondroitin-haltigem Nahrungsergänzungsmittel. ABDA-Information 44/23 vom 30.10.2023

Pharmazeutische Zeitung: Schmerzen im Knie: Was hilft bei Meniskus-Problemen? Stand 10.05.2024 

Stiftung Warentest (2024): Bewegung statt Pillen. Nahrungsergänzungsmittel. test, Heft 3/2024, S. 86ff

Konsument (2024): Nahrungsergänzungsmittel für Gelenke im Test - Kein Nutzen, Stand 21.03.2024 (zuletzt abgerufen am 19.11.2024)

Chondroitin bei Arthrose: Nutzen unwahrscheinlich. medizin transparent, Stand 23.10.2023 (zuletzt abgerufen am 19.11.2024)

Übertriebene Werbung für Joint Support entfernt. Lebensmittelklarheit.de, Stand 17.03.2023 (zuletzt abgerufen am 19.11.2024)

Aktualisierte S2k-Leitlinie: Homöopathie, Chondroitin oder NSAR: Was hilft bei Gonarthrose? Deutsche Apotheker-Zeitung, 14.08.2024 (zuletzt abgerufen am 19.11.2024)

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