Das Wichtigste in Kürze:
- In Nahrungsergänzungsmitteln eingesetzte Weihrauch-Wirkstoffe dürfen keine arzneimittelähnliche Wirkung haben und nicht mit Krankheitsbezug beworben werden.
- Menschen mit Beschwerden sollten Weihrauchprodukte nicht eigenständig ohne ärztliche Rücksprache einnehmen; für Kinder sind sie nicht geeignet.
- Es sind Wechselwirkungen mit Medikamenten (Blutgerinnungshemmern) und unerwünschte Wirkungen (allergische Reaktionen) möglich.
- Bisher liegen keine ausreichenden Daten aus Studien zur Wirksamkeit bei bestimmten Erkrankungen vor. Weihrauchhaltige Arzneimittel sind in Deutschland nicht zugelassen.
Was steckt hinter der Werbung zu Weihrauchextrakt?
Weihrauchextrakte werden traditionell als Räucherharze für religiöse Zeremonien verwendet. Die enthaltenen Boswelliasäuren sollen aber auch vielfältige gesundheitliche Wirkungen aufweisen, wenn man sie verzehrt, beispielsweise Gelenkentzündungen und -schmerzen lindern, Entzündungsschübe bei Multipler Sklerose (MS) reduzieren, das Immunsystem stärken oder gegen Stress und Angstzustände helfen – so jedenfalls die Werbung. Auch als Mittel gegen Krebs, Asthma oder Colitis ulcerosa werden die Extrakte propagiert. In der ayurvedischen und auch in der europäischen traditionellen Medizin (Volksheilkunde) wird Weihrauch seit langer Zeit verwendet.
Die entzündungshemmende Wirkung von Weihrauchextrakten wurde bisher hauptsächlich in Tierversuchen getestet, es gibt nur wenige Untersuchungen am Menschen.
Studien mit Arthrosepatienten haben oft eine zu niedrige Teilnehmerzahl. Auch wenn es Hinweise auf eine moderate Verbesserung von Schmerzen bei abgenutzten Gelenken gibt - die Ergebnisse reichen bisher nicht einmal aus, um auf eine sichere Wirkung eines bestimmten Extraktes mit einer entsprechenden Dosierung bei Gelenkerkrankungen zu schließen. Eine therapeutische Wirkung ist bisher nicht ausreichend bewiesen.
Laut Arzneimittelkommission der Bundesärztekammer kann die Verwendung von Weihrauch aufgrund der unzulänglichen klinischen Datenlage nicht empfohlen werden. Auch gemäß der Leitlinie Gonarthrose (2024) ist die Datenlage zu Wirksamkeit und Unbedenklichkeit von Weihrauch derzeit nicht ausreichend, um eine Empfehlung aussprechen zu können.
Weihrauchpräparate sind als Medikament in Deutschland nicht zugelassen (lediglich als homöopathische Arzneimittel). Sie sind nur in Form frei verkäuflicher Nahrungsergänzungsmittel (Lebensmittel) erhältlich, für die kein Wirknachweis und keine Zulassung erforderlich sind.
Ein Wirknachweis ist aber Voraussetzung, um eine Zulassung als Arzneimittel zu bekommen. Viele Studien weisen Mängel auf, so dass deren Aussagekraft begrenzt ist. Es besteht noch einiger Forschungsbedarf – auch zu der Frage, ob Weihrauchextrakt herkömmlichen Schmerzmitteln wie Ibuprofen bei Arthrose überlegen ist.
Bei der EU wurde eine gesundheitsbezogene Wirkaussage (Health Claim) zu "Gelenkgesundheit" beantragt, über die bisher nicht entschieden wurde. Hierin geht es aber nicht um die Heilung oder Linderung von Gelenkproblemen, sondern um einen möglichen positiven Einfluss von Weihrauch auf die Gelenke („Helps keep joints cool and comfortable“).
Bisherige (Tier- und Zellkultur-)Studien zur Wirkung bei Krebs zeigten, dass die Vermehrung von Tumorzellen durch Weihrauchextrakt zwar verringert werden konnte. Allerdings liegen laut Deutschem Krebsforschungszentrum kaum klinische Studien mit Krebspatient:innen vor, auch sei das Wirkprinzip noch nicht vollständig geklärt.
Auf was sollte ich bei der Verwendung von Weihrauch-Produkten achten?
Weihrauch ist hierzulande nur als Nahrungsergänzungsmittel erhältlich. Verwendet wird für medizinische Zwecke vor allem das Gummiharz von indischem Weihrauch (Boswellia serrata) in Tabletten- oder Kapselform.
Problematisch ist: Weder die Art des Extraktes noch Inhaltsstoffe oder Dosierung sind standardisiert, so dass die Produkte der verschiedenen Anbieter kaum miteinander vergleichbar sind. Untersuchungen zeigen, dass statt der beworbenen enthaltenen "80 Prozent" Boswelliasäuren oft nicht mehr als 35 % Boswellia-/Lupeolsäuren enthalten sind, manchmal sogar gar keine.
Es ist kaum bekannt, mit welchen, auch langfristigen, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen mit Medikamenten zu rechnen ist.
- Die Zusammensetzung der verschiedenen Produkte schwankt erheblich. Die in den wenigen klinischen Studien untersuchten Weihrauch-Spezialextrakte unterscheiden sich nach Angaben der Arzneimittelkommission der Bundesärztekammer von den in Deutschland erhältlichen weihrauchhaltigen Nahrungsergänzungsmitteln. Eine Übertragung der Aussagen zu Dosierung und Wirkung dieser Extrakte auf hiesige Nahrungsergänzungsmittel ist daher nicht möglich.
- Aussagen wie "enthält 85 % Boswelliasäuren" oder "400 mg Weihrauchextrakt" helfen daher nicht beim Produktvergleich. Achtung bei angeblichen Produkttests in Internetportalen, viele dienen vor allem der Verkaufssteigerung. Gleiches gilt für Sterne-Bewertungen angeblicher Käufer:innen.
- Einige Studien geben Hinweise auf unerwünschte Wirkungen (Nebenwirkungen) wie Übelkeit, Magensäure-Reflux (Rückfluss von Mageninhalt in die Speiseröhre) sowie allergische Reaktionen bei der Einnahme von Weihrauch-Extrakt.
- Weihrauch-Extrakte können Wechselwirkungen mit einer Vielzahl von Medikamenten haben (vor allem solche, die mittels P-Glycoprotein transportiert werden). Außerdem sollten Sie Weihrauchprodukte nicht verwenden, wenn Sie Blutgerinnungshemmer wie Warfarin (Coumadin®) einnehmen. Suchen Sie also unbedingt vor der Verwendung das ärztliche Gespräch oder fragen Sie in der Apotheke, wenn Sie regelmäßig Medikamente einnehmen.
- Keine Kostenübernahme: Gesetzliche Krankenkassen übernehmen die Kosten für die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln mit Weihrauch in der Regel nicht.
Die in Nahrungsergänzungsmitteln eingesetzte Art und Menge an Weihrauch-Extrakten darf keine arzneimittelähnliche (pharmakologische) Wirkung aufweisen, sonst werden die Produkte als nicht zugelassene Arzneimittel eingestuft.
In früheren Jahren stuften Lebensmitteluntersuchungsämter Kapseln mit Weihrauch-Extrakten oft als (nicht zugelassene) Arzneimittel ein, da sie nach ihrer „objektiven Zweckbestimmung“, teilweise auch durch die Werbung der Vertriebsunternehmen, offensichtlich zur therapeutischen Anwendung bestimmt seien. Krankheitsbezogene Werbung (z.B. hilft bei Arthritis) ist für Nahrungsergänzungsmittel (= Lebensmittel) generell nicht erlaubt.
Gesundheitsbezogene Aussagen (s.o.) wurden für Weihrauch bisher von der EU nicht zugelassen. Anbieter umgehen diese gesetzliche Regelung gerne, indem sie nur indirekt (z. B. mittels Buchtipp oder Hinweis auf entsprechende Internetforen) auf angebliche heilende oder lindernde Wirkungen verweisen.
Was ist Weihrauchextrakt?
Bei den verschiedenen Weihrauch-Arten handelt es sich meist um kleine, gedrungene Bäume mit buschähnlicher Wuchsform. Der afrikanische Weihrauch (Boswellia carterii) kommt aus südarabischen oder afrikanischen Ländern wie Somalia, Äthiopien, Sudan, Oman oder Jemen. Der indische Weihrauch (Boswellia serrata) stammt vorwiegend aus Ostindien. Wird der Stamm des Baums verwundet, tritt eine klebrige Flüssigkeit aus, die nach einigen Tagen zu festem Gummiharz trocknet. Dieses wird abgeschabt, gesammelt, gereinigt und als Trockenextrakt weiter verwendet. Da die Nachfrage nach Weihrauchprodukten steigt, kommt es Presseberichten zufolge häufig zum „Überzapfen“ der Bäume, was die Gesundheit der Bäume beeinträchtigen kann.
Welche Inhaltsstoffe sind in Weihrauchextrakt enthalten?
Das Gummiharz zeichnet sich durch einen hohen Anteil an ätherischem Öl (bis zu 10 %) aus. Als Hauptwirkstoffe enthält es verschiedene Boswelliasäuren wie die Alpha- und Beta-Boswelliasäure.
Können Weihrauch-Produkte mit Schadstoffen belastet sein?
Laut Europäischem Schnellwarnsystem RASFF fallen ab und an belastete Nahrungsergänzungsmittel aus dem asiatischen Raum auf. In den letzten Jahren lag es vor allem an der unzulässigen Begasung mit Ethylendioxid.
Sofern es sich um ayurvedische Nahrungsergänzungsmittel handelt, können diese - zum Teil absichtlich aus traditioneller Herstellungspraxis heraus - Schwermetalle enthalten, speziell Anteile von giftigem Blei, Quecksilber und Arsen.
Quellen:
Deutsches Krebsforschungszentrum/Krebsinformationsdienst: Weihrauch bei Krebs – Was ist dran? Boswellia als komplementäre Therapie. Stand: 30.11.2021 (zuletzt abgerufen 30.10.2024),
Heißmann N: Nahrungsergänzungsmittel (2014): Weihrauch gegen Entzündungen - sinnvoll oder nur teuer?, Stern.de, Stand: 25.01.2014 (zuletzt abgerufen 30.10.2024)
Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC): S2k-Leitlinie Gonarthrose. Seite 12, Tab.2: Empfehlungen auf einen Blick - Phytotherapie oral. Stand 29.02.2024 (zuletzt abgerufen 30.10.2024)
Weihrauch für die Gelenke: Schmerzlindernde Wirkung möglich. Medizin-transparent, Stand 22.12.2018 (zuletzt abgerufen 30.10.2024)
Steinmeyer J / Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft / wissenschaftlicher Fachausschuss der Bundesärztekammer (2017): Weihrauch zur Behandlung der Arthrose? Arzneiverordnung in der Praxis. Band 44, Heft 3, 7/2017
Jenett-Siems K (2019): Das Potenzial von Weihrauch. Vom kultischen Rauch bis zum entzündungshemmenden Arzneimittel. Deutsche Apotheker Zeitung 51
Consolidated list of Article 13 health claims. List of references received by EFSA. Part 4IDs 3001 –4705, Stand: 05.04.2011 (zuletzt abgerufen 30.10.2024)
EFSA Register of Questions, Question Nr. EFSA-Q-2008-4714 (zuletzt abgerufen 30.10.2024)
Memorial Sloan Kettering Cancer Center: Boswellia. Stand: 22.03.2024 (zuletzt abgerufen 30.10.2024)
Europäisches Schnellwarnsystem RASFF (zuletzt abgerufen 30.10.2024)
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