Prozesse wie der zur Wertstellungspraxis brachten die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg bundesweit in die Schlagzeilen. In Baden-Württemberg war das Vertrauen in die Organisation, die so schlagkräftig für die Rechte von Verbrauchern eintrat, hoch.
Existenzbedrohende Kürzungen
Und dennoch: 1996 steht die Verbraucherzentrale vor dem Aus. Nachdem die Bundesregierung bereits seit 1990 schrittweise aus der Finanzierung aussteigt, beschließt auch das Land eine Kürzung der Mittel um fast 40 Prozent.
Die Beraterinnen und Berater der Verbraucherzentrale sahen sich plötzlich mit der unmittelbaren Gefahr konfrontiert, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Es stand so viel auf dem Spiel. Die persönliche Zukunft, aber auch die Frage, an wen sich Verbraucher nun wenden sollten. War von nun an jeder auf sich selbst gestellt und musste eben schauen, wie er klarkam? Anbieter würden ungestört die immer weiter deregulierten Märkte, und den wachsenden EU-Binnenmarkt bespielen – Verbraucher ständen ohne Lobby global agierenden Konzernen gegenüber.
Auch Bärbl Maushart, die in mittlerweile 13 Jahren als Vorstand der Verbraucherzentrale so viel für Verbraucher erreicht hatte, war erschüttert und wandte sich in eindringlichen Worten an die Öffentlichkeit.
Neukonzeption: überzeugender Gegenvorschlag
Aber die Verbraucherzentrale gab nicht auf. Ohne Unterlass warb der Vorstand bei Landtagsabgeordneten und Ministerien für eine weitere Unterstützung des Verbraucherschutzes! Bärbl Maushart beließ es nicht dabei, aufzuzeigen, was zerstört würde, wenn die Kürzungen in dieser Form erfolgen. Sie legte einen Alternativplan vor: Eine Neukonzeption, wie die Verbraucherzentrale bei einer schrittweisen Reduzierung der Fördermittel trotzdem schlagkräftig und angepasst an die neue Informationsgesellschaft arbeiten könnte.
Der Gegenvorschlag überzeugte. Das Land Baden-Württemberg schränkte die Kürzungen ein, damit die Verbraucherzentrale die Umstrukturierung umsetzen konnte.
Verbraucherzentrale wird Dienstleister
Dazu gehörte, dass viele kleinere Beratungsstellen geschlossen wurden, und eine kostenpflichtige Telefonberatung eingeführt wurde. Für die Beraterinnen und Berater brachte das große Veränderungen.
Eine langjährige Mitarbeiterin erinnert sich:
"An meine erste kostenpflichtige Beratung erinnere ich mich sehr gut. Ich hatte Angst davor und war unsicher, ob ich auf Anhieb so schnell beraten könnte, damit die Leute nicht zu viel bezahlen müssten. Die kostenpflichtige Telefonberatung startete an einem Dienstag, ich war gleich am ersten Vormittag eingeteilt: von 10 bis 12 Uhr. Der Gedanke, dass Verbraucher jetzt für die Beratung Geld bezahlen mussten, war verschwunden, sobald ich den ersten Verbraucher am Telefon hatte. Jetzt stand für mich das Problem des Verbrauchers im Vordergrund. Ich habe ganz normal beraten."
Mit der Einführung der kostenpflichtigen Telefonberatung ging eine Spezialisierung der Beraterinnen und Berater einher, während zuvor jeder alle Themen abdecken musste. Gerade im Bereich Telekommunikation, der durch technische Innovationen in ständigem Wandel begriffen war, ermöglichte die Spezialisierung den Beraterinnen fachlich auf dem neusten Stand zu bleiben.
"Man muss so viel lernen, um eine Auskunft geben zu können. Heute könnte man nicht mehr alle Gebiete bearbeiten, es ist einfach so komplex. Früher habe ich ja noch mit elektrischer Schreibmaschine gearbeitet… Der Geist in der Verbraucherzentrale hat sich aber nicht verändert. Leute, die in der VZ arbeiten, wollen heute genau das gleiche wie damals. Das ist der gleiche Anspruch: Gucken, dass ein bisschen Gerechtigkeit herrscht."
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