- Verbraucherzentralen beobachten regelmäßige Rechtsverstöße bei Nahrungsergänzungsmitteln
- adpharm GmbH wurde vom Landgericht Hamburg verurteilt (Urteil noch nicht rechtskräftig)
- Verbraucherzentralen wollen Transparenz und Risikobewusstsein für Nahrungsergänzungsmittel schaffen
Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg konnte vor dem Landgericht Hamburg ein Urteil (Az. 403 HKO 18/22, nicht rechtskräftig) erwirken, das der adpharm GmbH unzulässige Werbung für ein Nahrungsergänzungsmittel für Schwangere untersagt. Adpharm hatte mit unwahren Aussagen den Eindruck erweckt, dass die Zusammensetzung des Produkts offiziell vom Bundeszentrum für Ernährung (BZfE) “bestätigt” wäre.
Der Markt für Nahrungsergänzungsmittel ist hart umkämpft. Das gilt auch bei Nahrungsergänzungsmitteln für Frauen mit Kinderwunsch, Schwangere und Stillende. Für diese Personengruppen gibt es klare wissenschaftliche Empfehlungen für die Nahrungsergänzung, um vor allem eine ausreichende Versorgung mit Folsäure und Jod sicherzustellen. Das Bundeszentrum für Ernährung (BZfE) hat dazu bundesweit einheitliche Handlungsempfehlungen veröffentlicht. Doch wie regelmäßige Marktchecks der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg immer wieder zeigen, stimmt die Zusammensetzung der angebotenen Nahrungsergänzungsmittel rund um die Schwangerschaft nur selten mit den Empfehlungen überein.
Keine „Bestätigung“ durch offizielle Stelle
Im Marktcheck 2021 fiel der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg die Werbung der adpharm GmbH für ihr Produkt „adfetal“ auf. Die adpharm GmbH bewarb dieses Nahrungsergänzungsmittel „für Frauen mit Kinderwunsch, Schwangere und Stillende“ und behauptete, „adfetal“ würde die Empfehlungen des BZfE zu 100 % erfüllen. Gestaltet war die Werbung wie ein Stempelaufdruck mit dem Schriftzug „Bestätigt“ und dem Hinweis „erfüllt zu 100% die Empfehlungen des Bundeszentrum für Ernährung*“. Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg kam zu einer anderen Bewertung und erkundigte sich zunächst beim Bundeszentrum für Ernährung.
„Auf unsere Nachfrage beim Bundeszentrum für Ernährung bekamen wir die Antwort, dass diese Werbung nicht bekannt sei und auch keine Bestätigung für das Produkt ausgesprochen worden sei“, sagt Vanessa Holste, Ernährungsexpertin der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Im Gegenteil betonte das BZfE, dass seine Empfehlungen keinesfalls zu 100% berücksichtigt wurden.
Daraufhin mahnte die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg die irreführende Werbung ab. Die adpharm GmbH weigerte sich, freiwillig eine Unterlassungserklärung abzugeben und auf die Aussage zu verzichten. Sie war der Ansicht, sich keiner Bestätigung durch das BZfE zu berühmen, sondern lediglich Eigenwerbung zu betreiben. So war sie nur bereit, den Hinweis „erfüllt zu 100% die Empfehlungen des Bundeszentrum für Ernährung*“ zu entfernen, jedoch nicht den „Bestätigt“-Stempel. Die darauffolgende Klage der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg vor dem Landgericht Hamburg war erfolgreich und führte zu dem Urteil, dass die Werbung eine unzulässige geschäftliche Handlung sei: Zum einen sei es unzulässig, mit der unwahren Angabe zu werben, dass eine Ware von einer öffentlichen Stelle bestätigt worden sei oder deren Bedingungen für die Bestätigung wären erfüllt. Zum anderen könne ein einzelnes Produkt unmöglich den unterschiedlichen Empfehlungen des BZfE für alle drei Personengruppen gerecht werden. Ebenso könne ein Produkt mit fester Zusammensetzung Empfehlungen nicht vollständig erfüllen, die in Abhängigkeit von individuellen Lebensumständen gemacht werden.
Das Unternehmen hat die unzulässige Werbung bereits von der Internetseite entfernt.
Forderung: Hersteller sollten Empfehlungen deutscher Fachgesellschaften umsetzen
Frauen mit Kinderwunsch, Schwangere und Stillende gehören zu den wenigen Personengruppen, für die es klare Empfehlungen zur Nahrungsergänzung gibt. Doch nach wie vor sind die meisten Produkte mit zahlreichen unnötigen Nährstoffen angereichert. Teilweise werden sogar die vorgeschlagenen Höchstmengen für Nahrungsergänzungsmittel des Bundesinstituts für Risikobewertung überschritten. Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg sieht hier die Hersteller in der Verantwortung, die wissenschaftlichen Empfehlungen in der Zusammensetzung ihrer Produkte umzusetzen und die Nährstoffe bedarfsgerecht auszuwählen und zu dosieren.
Weitere Informationen zu Nahrungsergänzungsmitteln rund um die Schwangerschaft und den Marktcheck der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg: vz-bw.de/node/11633.
Unter klartext-nahrungsergaenzung.de liefern die Verbraucherzentralen Verbraucher:innen und Multiplikator:innen eine unabhängige, interaktive Informationsplattform mit dem Ziel, mehr Transparenz sowie Risikobewusstsein für Nahrungsergänzungsmittel zu schaffen und die Marktsituation zu verbessern.