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Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zum pAV-Reformgesetz

Stand:
Mit dem Referentenentwurf für ein Gesetz zur Reform der steuerlich geförderten privaten Altersvorsorge (pAV-Reformgesetz) legt das Bundesministerium der Finanzen für eine neuerliche Überarbeitung der geförderten privaten Altersvorsorge vor.
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1. Würdigung

Mit dem Referentenentwurf für ein Gesetz zur Reform der steuerlich geförderten privaten Altersvorsorge (pAV-Reformgesetz) legt das Bundesministerium der Finanzen eine neuerliche Überarbeitung der geförderten privaten Altersvorsorge vor.
Ausgangspunkt für die Vorlage ist die Feststellung des Bundesfinanzministeriums, dass sich die Zahl der Vertragsabschlüsse für Altersvorsorgeprodukte in den letzten Jahren verlangsamte und seit 2018 sogar rückläufig ist. Als Ursache für den Nachfragerückgang benennt der Referentenentwurf hohe Kosten der Verträge, komplexe Förderung, geringe Flexibilität über den Lebenszyklus und mangelnde Transparenz bei der Produktauswahl. 
Der Referentenentwurf verspricht nun, dass die vorgeschlagenen Regelungen den Wettbewerb stärken und die geförderte private Altersvorsorge flexibler, transparenter, renditestärker und kostengünstiger gestalten, um damit die private Altersvorsorge gerade für diejenigen Personen erreichbar zu machen, denen der finanzielle Spielraum für eine eigene Sparleistung fehlt. Dies soll über eine Vielzahl von Regelungen zu Produktstandardisierung, Flexibilisierung der Auszahlungsphase, steuerliche Anreizen und einer Vergleichsplattform erreicht werden.

2. Problem

2.1 Einordnung

Der Referentenentwurf stellt eine weitere Überarbeitung der im Jahr 2001 implementierten Rentenreform dar, bei der eine Neugestaltung der privaten Altersvorsorge vorgenommen wurde. Dies resultierte in einer teilweisen Substitution der solidarisch organisierten gesetzlichen Rente durch die individuelle private Altersvorsorge. Der gesetzliche Rahmen wurde derart gestaltet, dass bei der Berechnung der Rentenanpassung die Inanspruchnahme der geförderten privaten Altersvorsorge mit einem Prozentwert von 100 angenommen wird. Folglich ist bei fehlender privater oder betrieblicher Vorsorge eine unzureichende Alterssicherung zu erwarten. Die private und betriebliche Altersvorsorge stellt somit ein zentrales Element der individuellen Daseinsvorsorge dar. Seither ist es politischer Wille, dass die Bürger:innen aus ihrem laufenden Einkommen durch Geldanlage Ersparnisse und Vermögen bilden, um im Ruhestand eine ausreichende Absicherung zu gewährleisten. Die Versicherten der gesetzlichen Rentenversicherung, die bislang lediglich einem staatlichen Versicherungssystem gegenüberstanden, sind nun als Verbraucherinnen und Verbraucher gefordert, sich auf dem Finanzdienstleistungsmarkt zu orientieren und Entscheidungen zu treffen.

2.2 Strukturelle Benachteiligung der Verbraucher:innen

Verbraucher:innen wenden sich zur Gestaltung ihrer privaten Altersvorsorge an Finanzdienstleister, weil sie für sich einen Informationsbedarf benennen. Sie betrachten sich als nicht gut genug informiert, um Produkte zur Geldanlage oder zum Vermögensaufbau zwecks Altersvorsorge zu bewerten und anschließend die für sie bedarfsgerechten zu kaufen. Verbraucher:innen erwarten als Ergebnis der Finanzberatung eine für sie bedarfsgerechte Empfehlung bzw. ein für sie bedarfsgerechtes Produktangebot. Die Beratenden sollen ihnen die Produkte empfehlen und verkaufen, mit denen sie ihr Ziel, beispielsweise eine ihren Lebensstandard sichernde Altersvorsorge, erreichen. Allerdings basiert die gesetzliche Regulierung der Finanzberatung nicht auf dem Bedarf der Verbraucher:innen. 
Da die Finanzberatung ein Vertrauensgut ist, besitzen Finanzberater:innen gegenüber ratsuchenden Verbraucher:innen einen strukturellen Informationsvorsprung, der für Verbraucher:innen prinzipiell nicht aufholbar ist. In dieser Situation ist es für Verbraucher:innen nicht zu erkennen, ob Finanzberater:innen den Informationsvorsprung zum Nachteil der Verbraucher:innen ausnutzen oder nicht. Damit besteht für Finanzberater:innen der Anreiz zu verbraucherbenachteiligendem Verhalten. Ohne die Bedarfe der Verbraucher:innen zu berücksichtigen, können sie: 

  • Produkte nach der Höhe der Provisionen auswählen,
  • die (kostenpflichtige) Beratungszeit unberechtigt ausdehnen,
  • einen nicht vorhandenen Beratungsbedarf vortäuschen, um Produkte gegen Provision zu verkaufen oder kostenpflichtige Beratungen abzurechnen,
  • die Notwendigkeit eines Produktwechsels suggerieren, um neue Provisionen und Honorar zur rechtfertigen, 
  • einen nicht gerechtfertigten Zeitaufwand zur Erstellung von Finanzanalysen abrechnen, 
  • ihre Kosten durch ungerechtfertigte Reduktion des eigentlich erforderlichen Recherche- und Qualifizierungsaufwandes reduzieren,
  • die Notwendigkeit einer ungerechtfertigt fortlaufenden Vermögensbetreuung, -verwaltung oder -beratung suggerieren.

Aus dieser strukturell benachteiligenden Situation kommen Verbraucher:innen nicht heraus. Weder private Garantien noch private Gütesiegel helfen bei der Bewertung, denn Verbraucher müssten dann etwa den Eintritt des Garantiefalls oder die Zuverlässigkeit des Gütesiegels bewerten. Besäßen Sie die dazu notwendigen Informationen, könnten sie das Ergebnis der Beratung selbst bewerten und bräuchten keine Garantien oder Gütesiegel.
Die derzeit bestehenden gesetzlichen Regelungen beseitigen die strukturelle Benachteiligung der Verbraucher:innen nicht. Die Beratungserfahrungen der Verbraucherzentrale belegen seit nunmehr 15 Jahren, dass Anbieter die bestehende Informationsasymmetrie ausnutzen und Verbraucher:innen systematisch übervorteilen. Darüber hinaus hat die Verbraucherzentrale bei der Riester-Rente wiederholt rechtswidrige Praktiken aufgedeckt, die unmittelbar zu Lasten der Altersvorsorge gehen:

  • Zu wenig Zinsen: Etliche Sparkassen und Volksbanken haben in ihren Riester-Banksparplänen rechtswidrige Zinsanpassungsklauseln verwendet. Dadurch haben sie ihren Kundinnen und Kunden zu wenig Zinsen gutgeschrieben. Eine Sparkasse hat sogar negative variable Zinsen mit einem Zinsbonus verrechnet. Gegen zahlreiche Banken, die unzulässige Klauseln verwendet haben, ist die Verbraucherzentrale erfolgreich vorgegangen.  Der Umgang mancher Institute mit diesen rechtswidrigen Klauseln ist trotz eindeutiger Rechtsprechung bis heute kritikwürdig.
  • Unzulässige Zusatzkosten bei Rentenbeginn: Sparkassen, Volksbanken, Bausparkassen und Fondsgesellschaften haben außerdem in ihren Riester-Verträgen intransparente Klauseln bezüglich anfallender Abschluss- und Vertriebskosten verwendet. Trotz eindeutiger BGH Entscheidung vom 21.11.2023 setzen sie diese Praxis fort und belasten ihre Kundinnen und Kunden mit vertraglich nicht ver-einbarten Kosten, wogegen die Verbraucherzentrale mit weiteren Gerichtsverfahren vorgeht.  
  • Rentenkürzungen nach Vertragsabschluss: Anbieter von Riester-Rentenversicherungen verwenden in ihren Allgemeinen Versicherungsbedingungen eine Klausel, die dem Versicherungsunternehmen das Recht einräumt, den Rentenfaktor, mit dem die Rente berechnet wird, einseitig zu Lasten der Verbraucher:innen herabzusetzen. Dagegen gehen die Verbraucherzentralen gerichtlich vor. 
  • Zu niedrige Renten: Die von den Versicherungsgesellschaften gezahlten garantierten Renten sind so niedrig, dass die Sparer oft 94 Jahre und älter werden müssen, um das zu Rentenbeginn angesparte Guthaben zurückzuerhalten. Bei Riester-Bank- und Fondssparplänen können sie zwar einen Auszahlungsplan wählen, allerdings wird derzeit etwa ein Drittel des Guthabens einbehalten und als Prämie an einen Versicherer gezahlt, der daraus nach Ende des Auszahlungsplans im Alter von 85 Jahren die Leibrente zahlt.
  • Unrentable Anlagestrategien: Die Geschäftspolitik der Anbieter von Riester-Fondssparplänen und Riester-Rentenversicherungen während der Turbulenzen an den Kapitalmärkten (Börsencrash in der Finanzmarktkrise und Corona-Pandemie, Zinsanstieg 2022) geht direkt zu Lasten der Altersvorsorge. Die Anbieter verkauften Aktienfondsanteile zu Tiefstkursen, so dass die Sparer von der kurz darauf einsetzenden Erholung der Aktienmärkte kaum profitieren konnten. Der historisch beispiellose Zinsanstieg im Jahr 2022 führte schließlich zu weiteren Kursverlusten von bis zu 50 Prozent. Im Ergebnis können Sparerinnen und Sparer vielfach keine positiven Renditen mehr erwarten, geschweige denn einen Inflationsausgleich
  • Hohe Abschluss-, Vertriebs- und Verwaltungskosten: Von der guten Entwicklung der Kapitalmärkte kommt bei den Sparer:innen fast nichts an. Riesterrenten sind wegen der Abschlusskosten auch Jahre nach dem Abschluss regelmäßig ein Verlustgeschäft. 
  • Starre Kombiprodukte: Verbraucher:innen, denen Riester-Bausparverträge verkauft wurden, kommen aus der teuren und unflexiblen Bausparkombinationsfinanzierung nicht so einfach heraus. Sie können auch ihr Wohnförderkonto nicht auflösen, weil die Anbieter die dafür gesetzlich eröffnete Möglichkeit der Zuzahlung geschäftspolitisch ausgeschlossen haben.
  • Kündigung durch Anbieter: Die Privatbank Donner & Reuschel kündigte Riester-geförderte Sparverträge mit der Begründung, sie könnten nicht in die neue IT-Landschaft übernommen werden. 
  • Doppelte Kosten: Mehrere Versicherer haben bei Riester-Verträgen Abschluss- und Vertriebskosten mehrfach berechnet. Die BaFin hat nach erfolgreicher Klage der Verbraucherzentrale klargestellt, dass das rechtswidrig war. 
     

3. Kritik

3.1 Keine Stärkung des Wettbewerbs durch mehr Produkte

Der Referentenentwurf sieht einen Bestandsschutz für die bisher geförderte Riester-Rente sowie eine Erweiterung des geförderten Produktangebots um Produkte mit einem Garantieniveau von 80 Prozent der Beiträge und um Altersvorsorgeprodukte ohne Garantie vor. Er spricht sich damit für den weiteren Auf- und Ausbau des bürokratischen Rahmens der privaten Altersvorsorge aus. An der Komplexität der individuellen Vorsorgeentscheidung wird sich dadurch nichts ändern, so dass die Vorsorgenden weiterhin auf Beratung und Entscheidungshilfen angewiesen sein werden. 
Eine Stärkung des Wettbewerbs durch mehr Wahlfreiheit setzt voraus, dass der Markt so gestaltet ist, dass diese Wahlfreiheit zu bedarfsgerechten Anlageentscheidungen führt. Dies ist aber aufgrund der eingangs geschilderten strukturellen Benachteiligung der Verbraucher:innen auf dem Markt der Altersvorsorgeberatung nicht der Fall. Da Finanzberatung ein Vertrauensgut ist, besitzen Finanzberater:innen gegenüber ratsuchenden Verbraucher:innen einen strukturellen Informationsvorsprung, der für Verbraucher:innen prinzipiell nicht aufholbar ist. Die Qualität einer Beratung zur privaten Altersvorsorge ist für Verbraucher:innen selbst bei Renteneintritt nicht feststellbar, da ihnen die relevanten Informationen über alternative Anlageempfehlungen und deren Ergebnisse nicht vorliegen. Deshalb kann von einer Erweiterung des Angebots für Verbraucher:innen auch kaum eine Initiative ausgehen, die den Wettbewerb um die beste Beratung und die besten Produkte steigert.
Gleichzeitig ändert der Referentenentwurf nichts daran, dass die Beratung überwiegend auf dem provisionsorientierten Verkauf von Vorsorgeprodukten beruht. Die Transparenzmaßnahmen laufen angesichts der provisionsorientierten Verkaufsgespräche ins Leere. Im Ergebnis fördert der Referentenentwurf damit weiterhin, dass den Vorsorgesparern die Produkte verkauft werden, an denen die Verkäufer am meisten verdienen, die aber nicht den Bedarf der Vorsorgesparer:innen decken. Der Referentenentwurf ist daher in erster Linie als Instrument zur Absicherung des provisionsorientierten Vertriebs zu sehen. Es ist davon auszugehen, dass in Folge der umfangreichen gesetzlichen Änderungen Anbieter neue Produkte auflegen und verkaufen lassen, für die die Verbraucher:innen erneut erhebliche Abschluss-, Vertriebs- und Verwaltungskosten bezahlen werden.

 

3.2 Keine Stärkung des Wettbewerbs durch Vergleichswebseite 

Die im Referentenentwurf vorgesehene Vergleichswebsite ist aufgrund der dargestellten strukturellen Mängel kaum geeignet, den Wettbewerb zu stärken. Die auf der Vergleichswebsite ausgewiesenen Kosten beschränken sich auf die Kosten der Ansparphase und lassen die erheblichen Kosten der Rentenbezugsphase außer Acht. Ein valider Kostenvergleich ist schon deshalb nicht möglich. Hinzu kommt, dass der Vergleich auf Basis der Effektivkosten „nach europäischen Vorgaben“ problematisch ist! 
Ein prozentualer Effektivkostensatz verschleiert die tatsächliche Höhe der Kosten. So schmälert der durchschnittliche Effektivkostensatz bei Riester Rentenversicherungen in Höhe von 1,67 Prozentpunkten  die Kapitalerträge bereits um die Hälfte, wenn die Ren-dite vor Kosten 5 Prozent p.a. beträgt und der Sparplan 40 Jahre läuft. 
Die Effektivkosten entsprechen nicht einmal den vertraglich vereinbarten Kosten, sondern basieren auf einer Modellrechnung. Während ein Effektivzinssatz bei Darlehensverträgen aufgrund der gesetzlichen Regelung, wonach der Preis eines Darlehens (ausschließlich) im vereinbarten Nominalzinssatz besteht, einen validen Preisvergleich ermöglicht, ist dies bei Altersvorsorgeprodukten nicht der Fall. Bei Altersvorsorgeprodukten sind eine Vielzahl unterschiedlicher Kostenbezugsgrößen üblich. Martin Gesche et al identifizieren in einer Stichprobe von 36 Riester-Rentenversicherungen allein für die An-sparphase 20 verschiedene Kostenbezugsgrößen. Für andere Produkttypen werden wiederum andere Kostenbezugsgrößen erhoben. Ein ex ante Vergleich ist damit praktisch unmöglich. Die vom europäischen Gesetzgeber vorgegebene Methodik für PRIIPs sieht in einigen Fällen lediglich Kostenspannen vor, die jedoch für einen Vergleich nicht geeignet sind.
Nachfolgend wird im Beispiel der  Allianz Zukunftsrente InvestFlex Laufzeit 30 Jahre  eine Auswirkung der Kosten nach 30 Jahren von 1,0 bis 3,7 % pro Jahr ausgewiesen.

Ähnlich sieht es im Beispiel einer Nürnberger fondsgebundenen Rentenversicherung aus.

Schon diese beiden Beispiele zeigen, dass derartige Kostenangaben nicht dazu geeignet sind, Verbraucher:innen eine informierte Anlageentscheidung zu ermöglichen.
Die hier angewandte Methode der stochastischen Simulation von Vertragsverläufen zur Berechnung einer Gesamtkostengröße weist strukturelle Schwachstellen auf, sodass aus Perspektive der Verbraucher:innen die angegebene Gesamtkostengröße kein verlässliches Kriterium für einen Kostenvergleich darstellt. Anders im Darlehensrecht: Hier ist ein Vergleich anhand des Effektivzinssatzes möglich, weil im Darlehensrecht als Gegenleistung für die Darlehensüberlassung lediglich (und ausschließlich) Zinsen auf den geschuldeten Darlehensbetrag zu zahlen sind. 

ZWISCHENFAZIT 1

Der Referentenentwurf enthält keine Vorschläge, die tatsächlich zu mehr Wettbewerb in der gewerblichen Altersvorsorgeberatung führen: Weder von der Erweiterung des Produktangebots für Verbraucher:innen noch von der vorgeschlagenen Vergleichswebseite kann ein Impuls ausgehen, der den Wettbewerb um die beste Beratung und die besten Produkte steigert.

3.3 Altersvorsorge wird nicht „flexibler“

Die Flexibilität von Altersvorsorgeverträgen bezieht sich auf die Anpassungsfähigkeit der Verträge an sich ändernde individuelle Bedarfe. Bei flexiblen Verträgen werden den Anleger:innen Rechte eingeräumt, Einzahlungen zu ändern, Auszahlungen vorzuziehen oder die Anlagestrategie an eine geänderte Risikobereitschaft anzupassen. Allerdings macht der Referentenentwurf den Anbietern diesbezüglich keine Vorgaben, so dass die tatsächliche Flexibilität der Verträge allein von der Geschäftspolitik der Anbieter abhängt!

Aktuell bieten Anbieter folgende auch durch gesetzliche Vorgaben begrenzte Möglichkeiten an Flexibilität an, die mit gravierenden Nachteilen verbunden sind:

  • Flexible Einzahlungen: Viele Anbieter räumen ihren Kunden in gewissen Grenzen die Möglichkeit ein, Zuzahlungen zu leisten und Beitragszahlungen auszusetzen. Die Ausübung dieser Möglichkeiten ist jedoch aus Sicht der Anleger:innen wirtschaftlich nachteilig, wenn sie mit Kosten verbunden ist (Storno / Beitragsfreistellung) oder wenn bei einer Beitragsreduzierung die für höhere Einzahlungen gezahlten Kosten nicht erstattet werden, was insbesondere bei Rentenversicherungsverträgen üblich ist.
  • Flexible Laufzeiten und Auszahlungen: Aufgrund der starren gesetzlichen Vorgaben ist eine bedarfsgerechte Verfügungsmöglichkeit während der Ansparphase nicht vorgesehen oder mit Nachteilen (Kosten, Garantieverlust, förderschädliche Kündigung) verbunden. Der Wegfall des Verrentungszwangs in der Auszahlphase stellt eine der wenigen wesentlichen Verbesserungen dar, weil sie Verbraucher:innen die Möglichkeit gibt, statt der (niedrigen) lebenslangen Leibrente auch eine um mindestens ein Drittel höhere zeitlich befristete Rente bis zum 85. Lebensjahr zu wählen. Aktuell kostet angehende Rent-ner:innen die mögliche Rente ab dem 85. Lebensjahr rund 30 Prozent ihres zu Rentenbeginn vorhandenen Guthabens. 
  • Flexibles Risikoprofil: Durch die Zulassung neuer Produkte mit teilweiser und ohne Garantie ermöglicht der Referentenentwurf eine bedarfsgerechte Wahl des Risikoprofils. Dies stellt eine Verbesserung gegenüber der bisherigen Rechtslage dar.
  • Flexible Wechselmöglichkeit: Bislang scheitert die Wechselmöglichkeit aus Verbrauchersicht an der Geschäftspolitik der Anbieter, die für Neuabschlüsse Altersgrenzen und Mindestansparzeiten verlangen. Eine Wechselmöglichkeit zu Beginn der Auszahlungsphase ist derzeit praktisch nicht möglich. Da der Referentenentwurf hierzu keine Vorgaben macht, ist eine Verbesserung der Flexibilität beim Anbieterwechsel nicht zu erwarten.

ZWISCHENFAZIT 2

Der Referentenentwurf enthält keine Vorschläge, die tatsächlich zu mehr Flexibilität in der Altersvorsorge führen.
Lediglich hinsichtlich des Risikoprofils erhöht der Referentenentwurf insbesondere im Altersvorsorgedepot das Potenzial der Flexibilität. Ob sich dies in den Verträgen der Anbieter durch entsprechende Verbraucherrechte widerspiegeln wird, bleibt abzuwarten.

3.4 Altersvorsorge wird nicht „transparenter“

Hinsichtlich der Transparenz enthält der Referentenentwurf keine neuen Vorgaben. Die geplante Vergleichswebseite sorgt nicht für mehr Transparenz, da sie lediglich heute bereits vorhandene Informationen bündelt.

3.5 Altersvorsorge wird allenfalls potenziell renditestärker

Die Rendite von Altersvorsorgeverträgen hängt im Wesentlichen nur von zwei Faktoren ab: der Anlagestrategie und den Kosten. 
Der Referentenentwurf lässt zwar im Altersvorsorgedepot und bei Produkten mit teilweiser Garantie der Einzahlungen risikoreichere Anlagestrategien zu, die potenziell mit einer höheren Rendite verbunden sein können. Er macht aber keine Vorgaben zum konkreten Risiko, so dass auch risikoreichere Anlagestrategien möglich sind, ohne dass eine angemessene Risikoprämie für das zusätzliche Risiko zu erwarten ist!

3.6 Altersvorsorge kostengünstiger?

Hinsichtlich der Kosten sieht der Referentenentwurf mit Ausnahme der Begrenzung der Wechselkosten keine Einschränkungen vor. Damit wird die Altersvorsorge keineswegs kostengünstiger! Es bleibt abzuwarten, ob die vorgesehene Vereinfachung der Förderung („Bürokratieabbau“) zu geringeren Kosten oder lediglich zu höheren Gewinnmargen der Anbieter führen wird

3.7 Höhere Verbreitung in unteren Einkommensgruppen?

Für die unteren Einkommensgruppen sieht der Referentenentwurf lediglich eine Vereinfachung der Förderbedingungen vor. Er macht keinen einzigen Vorschlag, wie das Ziel der Erhöhung des Verbreitungsgrades gerade in den unteren Einkommensgruppen, denen schon heute das Geld für die Altersvorsorge fehlt, erreicht werden soll.
 

4. Fazit

Der Referentenentwurf löst sein Versprechen, die geförderte private Altersvorsorge flexibler, transparenter, renditestärker und kostengünstiger zu gestalten, um damit die private Altersvorsorge gerade für diejenigen Personen erreichbar zu machen, denen der finanzielle Spielraum für eine eigene Sparleistung fehlt, nicht ein!

5. Lösung: Der Vorsorgefonds

Das zentrale Problem in der Altersvorsorge besteht aus Perspektive der Verbrau-cher:innen in der Geschäftspraxis der Anbieter, die bedarfsgerechte Anlageentscheidungen der Verbraucher:innen verhindert. Die Lösung für dieses Problem besteht in der Einführung eines ausschließlich an Verbraucherinteressen ausgerichteten Vorsorgefonds wie er in Schweden längst erfolgreich umgesetzt wurde. Dort haben die Sparer:innen trotz zweier Börsencrashs seit über 20 Jahren Renditen von über 10% p.a. eingefahren.  Mit dieser Lösung wird nicht nur Transparenz geschaffen, sie sichert auch die bedarfsgerechte Vorsorge (vgl. auch Stellungnahme der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg zum Altersvorsorgeverbesserungsgesetz vom 23.11.2012).
In der sozialen Marktwirtschaft müssen die Regeln des Marktes gewährleisten, dass die Verbraucher:innen ihren Bedarf am Markt auch dann decken können, wenn Vertrauensgüter gehandelt werden. Die Marktregeln bedürfen daher einer Grundlage, die dies sicherstellt. Diese Grundlage ist: 

  • eine unmissverständliche Ausrichtung der Finanzberatung am Bedarf der Verbraucher:innen, insbesondere wenn es um die Daseinsvorsoge im Alter geht, sowie
  • ein Standardprodukt zur Altersvorsorge nach schwedischem Vorbild, bei dem der Gesetzgeber sicherstellt, dass es einfach, transparent und kostengünstig ist.

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