Die wirtschaftliche Selbstbestimmung von Verbraucher:innen setzt die Vollständigkeit aller für die Entscheidungsfindung erforderlichen Informationen der am Markt angebotenen Produkte voraus. Ist diese Vollständigkeit nicht gegeben und sind die Anbieter besser über ihre Produkte und Dienstleistungen als die Verbraucher:innen informiert, dann liegt Informationsasymmetrie vor. Führt diese Asymmetrie zu Kaufzurückhaltung oder zu Fehlkäufen, handelt es sich um Marktversagen. Somit kann der Markt seine Koordinierungsfunktion nicht erfüllen. Es werden weiterhin Produkte am Markt angeboten, die den Bedarfen der Verbraucher:innen nicht gerecht werden.
Informationsasymmetrie ist vielen Produkten aufgrund der Art ihrer Eigenschaften inhärent: Produkteigenschaften können drei Kategorien zugeordnet werden. So gibt es Sucheigenschaften, die die Verbraucher:innen einem Produkt unmittelbar und vor dem Kauf ansehen können (z.B. Farbe des Steines, Beschaffenheit der Oberfläche). Dann gibt es Erfahrungseigenschaften, die die Verbraucher:innen erst nach dem Kauf während des Gebrauchs feststellen können (z.B. Beständigkeit der Farbe, Abnutzung der Oberfläche). Und schließlich gibt es noch Vertrauenseigenschaften, die weder vor noch nach dem Kauf am Produkt selbst erkennbar sind (z.B. fair gehandelt, ohne Kinderarbeit produziert).
► Marktversagen aufgrund von Informationsasymmetrie droht bei Produkten, die Erfahrungs- bzw. Vertrauenseigenschaften aufweisen.
Drohendes Marktversagen kann bei Erfahrungseigenschaften prinzipiell überwunden werden, indem bspw. Anbieter Garantien aussprechen und sich verpflichten, diese einzuhalten. Solche Garantien funktionieren, da Verbraucher:innen das Vorhandensein der versprochenen Erfahrungseigenschaft zwar erst nach dem Kauf, aber während des Gebrauchs überprüfen können. Dies führt dazu, dass die von den Anbietern versprochenen Erfahrungseigenschaften vorliegen oder zumindest die Garantiezusage durchgesetzt werden kann.
Bei Vertrauenseigenschaften liegt der Fall aber grundsätzlich anders. Während der Garantiefall bei Vertrauenseigenschaften von Verbrauchern ohnehin nicht festgestellt werden kann (Vertrauensgut erster Ordnung), da diese ja überhaupt nicht erkennbar sind, stellen private Gütesiegel nur eine Verschiebung des Problems der Informationsasymmetrie auf eine andere Ebene dar: Gütesiegel sind Vertrauensgüter zweiter Ordnung. Verbraucher:innen müssten in der Lage sein, die Zuverlässigkeit des privaten Gütesiegels zu erkennen. Da sie aber keinen umfassenden Einblick in die Vergabe und Umsetzung privater Gütesiegel besitzen, ist ihnen das Erkennen der Zuverlässigkeit nicht möglich. Das gleich gilt für Internetseiten, die Gütesiegel bewerten: Gütesiegelbewertungsseiten sind Vertrauensgüter dritter Ordnung. Verbraucher:innen müssten jetzt in der Lage sein, die Zuverlässigkeit des Bewertungsprozesses zu erkennen. Da sie aber keinen umfassenden Einblick in diesen Prozess besitzen , ist ihnen das Erkennen der Zuverlässigkeit einer Gütesiegelbewertungsseite nicht möglich. Drohendes Marktversagen kann daher bei Vertrauenseigenschaften nur durch gesetzliche Regelungen zur Kennzeichnung und Überwachung überwunden werden.
► Bei Vertrauenseigenschaften haben Garantien, private Gütesiegel und Gütesiegelbewertungsseiten keinen Nutzen, da Verbraucher:innen das Vorhandensein einer Vertrauenseigenschaft grundsätzlich nicht feststellen können.