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Dem Ländle aufs Dach gestiegen: Die geplante PV-Pflicht für BaWü

Stand:
Die grün­schwarze Landesregierung hat sich nun zum Handeln entschlossen. Mit ihrem neuen Koalitionsvertrag will die Landesregierung den Südwesten zum „Klimaschutzland“ machen und plant die Photovoltaik stark mittels einer Pflicht auszubauen.
Person steht vor PV-Anlage mit Plan
  • Landesregierung will Südwesten zum „Klimaschutzland“ machen und plant die Photovoltaik mittels einer Pflicht auszubauen.
  • Über 80 Prozent der Bürger:innen befürworten eine stärkere Nutzung von Solarenergie.
  • Verbraucherzentrale beobachtet große Zahl an grenzwertigen Unternehmen,  die schnelles Geld machen wollen.
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Auch wenn es nicht alle glauben: Baden-­Württemberg ist ein Sonnenland. An manchen Orten, wie zum Beispiel in Freiburg, scheint die Sonne über 1.700 Stunden im Jahr. Das macht sich auch bei der Stromerzeugung bemerkbar. Im Jahr 2020 lieferten die Photovoltaikanlagen auf Wohnhäusern, Gewerbegebäuden und Freiflächen in Baden­-Württemberg bereits rund 9 Prozent des verbrauchten Stroms. Das Potential auf den Dächern in den Städten und Dörfern ist riesig. Eine Dachflächen-­Analyse des Landes für Baden­-Württemberg, die für eine Nutzung der Photovoltaik potenziell geeignet sind, ergab eine mögliche Stromproduktion von rund 36.000 GWh/a. Im Jahr 2018 wurden aber nur etwa 14,4 Prozent des technisch möglichen Potentials auf geeigneten Dachflächen ausgeschöpft.

Die grün­-schwarze Landesregierung hat sich nun zum Handeln entschlossen. Mit ihrem neuen Koalitionsvertrag will die Landesregierung den Südwesten zum „Klimaschutzland“ machen und plant die Photovoltaik stark mittels einer Pflicht auszubauen: „Wir werden die Pflicht für Photovoltaik­Anlagen auf neue Wohngebäude ausdehnen und in einem zweiten Schritt bei Dachsanierungen bei Bestandsgebäuden vorsehen. Bislang gilt sie für Nicht­-Wohngebäude. Im Rahmen der rechtlichen Ausgestaltung der PV-­Pflicht soll auch die Solarthermie auf oder am Gebäude (innovative Fassadenbekleidung) Berücksichtigung finden“.

Photovoltaik kommt an

Nicht nur die Landesregierung setzt auf den Ausbau der Photovoltaik um die Klimaziele zu erreichen, sondern offenbar auch die Bürger:innen. Gleich mehrere repräsentative Umfragen des Marktforschungsinstituts YouGov zeigen, dass über 80 Prozent der Bürger:innen eine stärkere Nutzung der Erneuerbaren Energien in Deutschland – und insbesondere der Solarenergie – befürworten. Dies spiegelt sich auch in den Beratungen der Verbraucherzentrale Baden­-Württemberg wider: Allein im vergangenen Jahr waren die Energieberater:innen bei über 1.400 Verbraucher:innen zu Hause und haben dort deren Dach auf die Eignung für eine Photovoltaik­ oder eine solarthermische Anlage geprüft. Das Interesse am Thema Solar ist also groß – um jedoch Problemen vorzubeugen, muss die Landesregierung jetzt verbraucherfreundliche Regelungen schaffen.

Fallstricke vermeiden

Verbraucher:innen, die sich eine Photovoltaik-Anlage auf das Dach setzen lassen wollen, müssen momentan mit langen Wartezeiten rechnen. Denn die Handwerksbetriebe sind stark ausgelastet. Und wie so oft, wenn politischer Push und eine hohe Nachfrage auftreten, ruft dies dubiose Anbieter auf den Plan. In den Beratungen beobachten wir eine große Zahl an grenzwertigen Unternehmen, denen es nur darauf ankommt Photovoltaik-Anlagen zu verkaufen und mit Vorkassemodellen schnelles Geld zu machen. Hier gibt es Anbieter die Photovoltaik-Anlagen von der „Stange“ verkaufen wollen – ohne ausreichende Planung, die Begebenheiten des Daches oder auch die finanziellen Möglichkeiten der Verbraucher:innen im Blick zu haben.

Durch Verbraucherbeschwerden werden wir immer wieder auf gravierende Mängel in der Planung aufmerksam gemacht. So werden etwa unrealistische Angaben zur „Stromernte“, zu den Möglichkeiten des Eigenverbrauchs und zu Kosten gemacht. Auch werden häufig andere Module oder Speicher verbaut als vertraglich vereinbart wurde. Besonders auffällig sind hier Unternehmen, die als reine Vertriebe agieren. Diese beauftragen häufig Subunternehmer mit der eigentlichen Installation der Photovoltaik-Anlage, ohne dass die Verbraucher:innen darüber informiert werden. Ein gutes Beispiel ist hier ein Fall eines Unternehmens aus München: Dieses hatte einem Verbraucher in Baden-Württemberg eine Photovoltaik-Anlage für Ende 2020 versprochen. Zwar meldete sich ein Elektriker mit Sitz in Nordrhein-Westfalen, doch leider war dieser nie beim Kunden im Schwarzwald. Dennoch erreichte den Verbraucher ein Schreiben, in dem der Elektriker anbot die Anlage für 30 Euro beim Marktstammdatenregister anzumelden. Nach unserer Auffassung gehören zur kompletten Erstellung einer Photovoltaik-Anlage auch alle Meldungen, wie an den Netzbetreiber und an das Marktstammdatenregister. Die Anlage ist übrigens bis heute nicht angeschlossen und liefert daher keinen Strom.

Auch bei den Vertragsunterlagen und den Allgemeinen Geschäftsbedingungen finden unseriöse Anbieter immer wieder Möglichkeiten rechtliche Schlupflöcher auszunutzen oder Verbraucher:innen zu überrumpeln. So stellen wir in den Beratungen fest, dass diese meist mit einem Vorauszahlungs- oder Vorkassemodell arbeiten. Verbraucher:innen sollen die komplette Anlage bezahlen, ohne dass diese Strom produziert und ins Netz einspeisen kann, beispielsweise direkt nach der Installation der Module. Entscheidender Zeitpunkt für eine Zahlung ist jedoch das Einspeisen einer Anlage ins Netz. Erst dann kann eine Photovoltaik-Anlage abgenommen werden und der Unternehmer hat seinen Werklohn verdient.

Plötzlich Unternehmer:in? Konzepte auf rechtlich sichere Beine stellen

Bei einem verstärkten Ausbau der Photovoltaik spielen immer mehr Privathaushalte eine aktive Doppelrolle in der Energiewende: Sie sind nicht länger nur Stromverbraucher, sondern erzeugen auch selbst Strom. Vor allem mithilfe von Solarstromanlagen und Batteriespeichern sind sie zu sogenannten „Prosumern“ geworden. Meist ist den Ratsuchenden allerdings gar nicht klar, dass sie dadurch Unternehmer:innen geworden sind – mit allen sich daraus ergebenden Folgen. Richtig kompliziert wird es, wenn Verbraucher:innen ihren Strom nicht nur mit dem öffentlichen Netz, sondern auch mit anderen Haushalten im selben Gebäude teilen.

Solche Mieterstromprojekte stehen in Deutschland vor einem großen Problem: Sie werden rechtlich in der Regel als Energieversorgung betrachtet. Dadurch müssen sie Vorgaben und Meldepflichten umsetzen, die für Unternehmen gemacht wurden und Privatleute rechtlich und organisatorisch überfordern. Diese Vorgaben überhaupt zu kennen, sie zu verstehen und in die Tat umzusetzen, ist für private Haushalte unzumutbar und nicht zu schaffen. Die Landesregierung muss hier – zusammen mit dem Bundesgesetzgeber – die gesetzlichen Voraussetzungen schaffen. Im Rahmen einer verbraucherzentrierten Klimaschutzpolitik müssen die ordnungspolitischen Grundlagen für die Themen vereinfachtes Verfahren im Baurecht, Strom-Eigenverbrauch, Mieterstromnutzung und Bezuschussung geschaffen werden.

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