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App-Test »Ein guter Tag hat 100 Punkte«: Vergiss den Highscore!

Stand:
Hundert Punkte klingen erst einmal gut. Noch besser klingt es rein theoretisch, wenn man gleich 200 oder 300 Punkte auf dem digitalen Konto hat. Die App "Ein guter Tag hat 100 Punkte" dreht diese altbekannte Spielmechanik um und will uns zu einem möglichst kleinen(!) Highscore ermutigen. Kann das funktionieren?
Illustration eines jonglierenden Manns in der App "Ein guter Tag"

Ähnlich wie Emyze und Earth Hero bietet auch Ein guter Tag hat 100 Punkte (im Folgenden: Ein guter Tag) ein fast alle Facetten des täglichen Lebens umfassendes Maßnahmenpaket im Kampf gegen den Klimawandel an. In so ziemlich jeder anderen Hinsicht unterscheidet sich die App jedoch von ihren Mitbewerberinnen. Ohne kommerzielle Interessen wollen die österreichischen Anbieter mit einem invertierten Spielprinzip, eingebettet in ungewöhnliche Grafiken und politisch ambitioniert zu CO2-sparenden Maßnahmen motivieren. 

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Name: Ein guter Tag ... hat 100 Punkte
Anbieter: Kairos - Institut für Wirtschaftsforschung & Entwicklung u.a. (eingutertag.org)
Kategorie: Nachhaltiger Alltag | Umweltratgeber
Zielgruppe: Erwachsene
Betriebssystem: iOS | Android
Preis: kostenlos
Links: Apple App Store | Google Play Store

Klimaschutz ist kein Kinderspiel!

Ein guter Tag ist nicht die einzige App, die unseren Alltag mit freundlichen Grafiken und vermeintlich kinderleichten Handgriffen nachhaltiger gestalten will, aber bislang die einzige von uns getestete Anwendung, innerhalb der man auch ganz unmittelbar politischen aktiv werden kann. Letzteres ist wirklich nur für erwachsene Nutzer:innen relevant. Der Einstieg in die Welt von Ein guter Tag ist aber tatsächlich spielend einfach. Ein kurzes Tutorial klärt uns über die Wirkweise der App auf: Täglich beeinflussen wir mit unseren Handlungen direkt oder indirekt den Ausstoß von Treibhausgasen. Dies sei nicht vermeidbar, dürfe aber eine gewisse Menge nicht überschreiten. Diese Menge beziffert der Anbieter mit einhundert Punkten. Tatsächlich liege das individuelle Punktekonto in Deutschland aber im Schnitt bei 450 Punkten. Es gelte nun, diese Zahl durch klimafreundliche Maßnahmen zu senken. Bevor es damit losgehen kann, bedarf es der Registrierung. Nicht selbstverständlich und gut für die Datensicherheit: Die App gibt sich mit Angabe weniger Daten (Name und Wohnort) zufrieden und der Account kann nur über Angabe einer E-Mail-Adresse angelegt werden, die man mittels eines per Mail verschickten Codes bestätigen muss. Die Nutzungsbedingungen und Angaben zum Datenschutz sind unter Verbraucherschutz-Gesichtspunkten ebenfalls unbedenklich. Positiv fiel uns auch der sofort ins Auge fallende Menüpunkt mit der Option auf, das Nutzerkonto mit nur einem Fingertipp zu löschen. 

Von hinten nach vorne

Anders als in den meisten Gaming-Apps erreicht man den Highscore nicht am Ende, sondern gleich zu Beginn des Spiels. Ein guter Tag fragt alltägliche Gewohnheiten rund um Ernährung, Mobilität, Konsum und Energieverbrauch ab, um daraus einen Punktestand zu errechnen. Dies dauert eine Weile, wenn man es akribisch angeht, macht aber Dank der hübschen Illustrationen und Animationen mehr Spaß als erwartet. Beispielsweise kann man an einem Regler stufenlos einstellen, ob in Sachen Computertechnik und Unterhaltungselektronik nur das Nötigste in den heimischen vier Wänden zu finden ist oder so ziemlich alles vom Highend-Computer und mehreren Spielekonsolen bis zum riesigen Fernseher mit Surround-Anlage. Schiebt man den Regler von links nach rechts, wächst nicht nur der persönliche CO2-Emissionswert und die dazugehörigen Punkte, sondern auch die Anzahl technischer Geräte in der animierten Zeichnung eines Büros. Am Ende der Bestandsaufnahme hat man das persönliche Konto in der Regel mit deutlich mehr als den erwünschten hundert Punkten gefüllt. Ein Diagramm verrät, welche Lebensbereiche - Mobilität, Wohnen, Ernährung, Konsum und Urlaub - den größten Negativeinfluss auf die persönliche Klimabilanz haben. Unter dem etwas kryptisch benannten Bereich "Öffentlicher Verbrauch" finden sich Emissionen, die durch den eigenen Wohnort bedingt sind. In diesem Test wurden uns zunächst 345 Punkte gutgeschrieben. Laut dem App-Anbieter ein Wert unter dem Bundesdurchschnitt, aber gemäß dem Spielprinzip von Ein guter Tag natürlich immer noch 245 Punkte zu viel.  

 

 

Beispielhafte Screenshots von App "Ein guter Tag"
Mit kleineren und größeren Maßnahmen im Alltag verbessern wir mit "Ein guter Tag" die eigene Klima- und Punktebilanz. Besonders motivierte Nutzer:innen sind dazu aufgerufen, sich auch politisch zu engagieren. (Quelle: Screenshots)

 

"Willst du deine Punktebilanz verbessern?"

Wer diese Frage nicht mit einem überzeugten "Ja!" beantworten kann oder möchte, wird an Ein guter Tag vermutlich wenig Freude haben. Mit von der App vorgegebenen Challenges (hier: Vorsätze) rund um den eigenen Alltag soll ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, welche Gewohnheiten eine direkte oder indirekte Auswirkung auf den Klimawandel haben. Die Auswahl der Challenges basiert dabei auf den zuvor gemachten Verbrauchsangeben. Wer also bereits angegeben hat, fast ausschließlich zu Fuß, mit dem Fahrrad oder öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs zu sein, erhält nur wenige Vorschläge zu klimafreundlicher Mobilität. Jeder aktivierte Vorsatz senkt täglich den persönlichen Punktestand. Der Umfang der gesammelten Negativpunkte hängt dabei unmittelbar mit dem Umfang des praktizierten Vorsatzes zusammen. Klingt kompliziert? Ist es aber nicht. Mit den bereits aus der Bestandsaufnahme zu Beginn der App-Nutzung bekannten Reglern und Fragen mit mehreren Antwortmöglichkeiten kann man sich beispielsweise entscheiden, ob man die Challenge "Veganer Tag" oder "Vegetarischer Tag" nur an einem oder gleich mehreren Tagen pro Woche bewältigen möchte. Der Vorsatz "LED statt alten Glühbirnen" fragt ab, wie viele Leuchtmittel man zuhause bereits gegen die energiesparenden Alternativen ausgetauscht hat. Und hinter "Weniger Fliegen" stehen die zu beantwortenden Fragen, wie lang man in den letzten Jahren geflogen ist und wie viele Kurzstreckenflüge darunter sind. Letzteres ist übrigens eine der wenigen Challenges mit der man unerwünschte Punkte hinzugewinnt, wenn man ein gemäß den App-Vorgaben ein gesundes Maß von fünf Flugstunden pro Jahr überschreitet. Dazu gibt es hier wie auch anderswo kurze Erklärtexte von ein bis drei Absätzen zum Mehrwert aller in der App aufgeführten Maßnahmen.

Aktivismus to go

Wem die sympathische Aufmachung und das ungewöhnliche Spielprinzip eines - im Optimalfall - täglich schrumpfenden Punktestands nicht ausreichen, kann sich mit Ein guter Tag auch klimapolitisch betätigen. Dies gelingt unter dem Menüpunkt "Politische Forderungen & Deals". Letztere kann man direkt unterstützen, sofern man die App bereits ein paar Tage nutzt und Punkte eingespart hat. Die "politischen Forderungen & Deals" funktionieren dabei nach dem Prinzip von Online-Petitionen: Ist eine Mindestanzahl von Unterstützer:innen erreicht, leitet der Anbieter die gesammelten Stimmen nebst Forderung an die zuständigen Ministerien, Interessenvertretungen oder Unternehmen weiter. Zum verbindlichen Handeln sind letztere aber nicht verpflichtet. Überhaupt bleibt fragwürdig, ob und welche Konsequenzen ein beispielhaft ans Verkehrsministerium weitergeleiteter Aufruf von 1.000 App-Nutzer:innen zum Tempolimit von 120 km/h auf deutschen Autobahnen haben dürfte; oder die Forderung ebenso vieler Menschen an das deutsche Finanzministerium, den Mehrwertsteuersatz für Fleischprodukte zugunsten eines weitreichenden Konsumrückgangs des klimaschädlichen Lebensmittels zu erhöhen. Zwar argumentiert Ein guter Tag nachvollziehbar und völlig korrekt für den ökologischen Mehrwert solcher Maßnahmen, die Anzahl der virtuellen Unterzeichner:innen, die je nach Forderung zwischen wenigen hundert und tausend Menschen variiert, wird in hohen Regierungsämtern und Chefetagen von Konzernen aber mutmaßlich kaum bleibenden Eindruck hinterlassen. Diese ernüchternde Aussicht soll jedoch nicht die wichtigen Denkanstöße überschatten, die Ein guter Tag mit dieser Funktion beisteuert. Impulse, denen man in der App auch in Form einer Gruppe nacheifern kann, die es allerdings selbst durch das Verschicken von E-Mail-Einladungen aufzubauen gilt und höchstens sieben Mitglieder enthalten kann.

Fazit

Ein guter Tag hat das Herz am richtigen Fleck und bietet genug Expertise, Spielspaß und Motivation, um zum regelmäßigen Begleiter in Sachen Klimaschutz zu werden. Dass ausgewählte Features wie Community-Funktionen und Aufrufe zu aktivistischem Handeln nicht in gleichem Maße überzeugen wie die täglichen Challenges, liegt eher in der überschaubaren Zahl der Nutzer:innen begründet als in der App selbst. Mit Blick durch die Verbraucherschutzbrille haben wir uns besonders über die sichere Registrierung und den sparsamen Umgang mit Nutzerdaten gefreut. So macht die App auch in dieser Hinsicht ihrem Namen alle Ehre.

Handhabung5 Sterne
Spaß3 Sterne
Mehrwert4 Sterne
Motivation3 Sterne
Datensparsamkeit5 Sterne
Gesamtwertung4 Sterne

Haben Sie Hinweise, Korrekturen oder sonstiges Feedback zu unserem App-Test? Ich freue mich über Ihre E-Mail an lohmeier[at]vz-bln.de. Danke für Ihr Interesse! (Patrick Lohmeier)

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