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Unser Ansatz

Stand:
Verbraucherbildung ist ein Recht der zukünftigen und aktuellen Verbraucher:innen. Mit der Beschreibung unseres Ansatzes wollen wir Transparenz über unsere zugrundeliegende Haltung und Motivation herstellen.

Schulische Verbraucherbildung...

...nimmt die Perspektive der Verbraucher:innen ein und ergreift für sie Partei,
...richtet sich an den Bildungsbedarfen der Schülerinnen und Schülern aus,
...unterstützt und fördert die Selbstbestimmung und Selbstwirksamkeit der Schülerinnen und Schüler,
...umfasst die drei Dimensionen "Entscheidungsfindung", "Überredungswissen" und "Reflexion über den Markt",
...ist auf allen ihren Ebenen (Unterricht, Aus- und Fortbildung) und bei allen ihren Maßnahmen frei von wirtschaftlichen Interessen.

Off

Schulische Verbraucherbildung ist parteiliche Bildung: Sie richtet sich nach den Bildungsbedürfnissen der Schülerinnen und Schüler. Ihr geht es nicht um die Vermittlung von erwünschten Verhaltensweisen. Auch fasst sie Schülerinnen und Schüler nicht als Individuen mit Wissens- und Informationsdefiziten auf. Schulische Verbraucherbildung nimmt vielmehr die Perspektive der jungen Menschen als handelnde Verbraucher/innen, d.h. als Entscheider/innen in eigener Sache ein und stärkt sie in ihrer Selbstbestimmung.
Die Prämisse der Parteilichkeit wirkt sich auf die Zielsetzung und die Themenbereiche der schulischen Verbraucherbildung aus und setzt auch ihren inhaltlich-konzeptionellen Rahmen.
Grundsätzliches Ziel der schulischen Verbraucherbildung ist es, Schülerinnen und Schülern bei der Entwicklung der Fähigkeit (Kompetenz) zu fördern und zu unterstützen, sich autonom im ethisch-politisch-ökonomischen Denken orientieren zu können, und zwar ohne Reflexionsabbruch vor ‚gegebenen‘ wirtschaftlichen Bedingungen, Sachzwangargumenten und Gemeinwohlbehauptungen. Dabei geht es nicht zuletzt darum, die Kompetenz erwerben zu können, die es Verbraucherinnen und Verbrauchern ermöglicht, im Rahmen marktwirtschaftlich bedingter struktureller Benachteiligung (strukturelles Marktungleichgewicht) selbstbestimmt ihre individuell bedarfsgerechten Entscheidungen treffen zu können. Bei dieser grundsätzlichen Zielsetzung besitzt schulische Verbraucherbildung zwei Gestaltungsaspekte: den rechtlichen und den pädagogischen Aspekt.
Rechtlich betrachtet unterstützt und fördert schulische Verbraucherbildung die Selbstbestimmung der Schülerinnen und Schüler als jenen Teil des grundgesetzlich verbrieften Rechts auf autonome Gestaltung des eigenen Lebens innerhalb der verfassungsgemäßen Ordnung, der sich auf Verbraucherbelange bezieht. Der Verbraucherbildung liegt damit stets die Verbraucher-Unternehmens-Beziehung als Spannungsfeld der individuellen Entscheidungen zugrunde.
Pädagogisch betrachtet unterstützt und fördert schulische Verbraucherbildung die Selbstwirksamkeitswahrnehmung der Schülerinnen und Schüler hier als Verbraucherinnen und Verbraucher. Unter Selbstwirksamkeitswahrnehmung ist die subjektive Gewissheit zu verstehen, neue beziehungsweise schwierige Anforderungssituationen auf Grund eigener Kompetenz bewältigen zu können.
Auf dieser Grundlage zielt schulische Verbraucherbildung darauf, die Haltung zu vermitteln bzw. die Kompetenz zu fördern, individuell bedarfsgerechte Entscheidungen im Sinne eigener Bedarfe und Interessen vorzubereiten, zu reflektieren und zu treffen. Diese Generalkompetenz untergliedert sich in die vier Teilkompetenzen:

Analysekompetenz: die Fähigkeit sich komplexe und vielschichtige verbraucherentscheidungsrelevante Sachverhalte fachlich angemessen zu erschließen,
Urteilskompetenz: die Fähigkeit, diese Sachverhalte im Hinblick auf eigene Bedarfe und Interessen begründet zu bewerten,
Handlungskompetenz: die Fähigkeit das gewonnene Urteil umzusetzen - auch gegen Widerstände,
Gestaltungskompetenz: die Fähigkeit gesellschaftliche Rahmensetzungen und Technologieentwicklungen dahingehend zu bewerten, inwiefern diese aus der Perspektive der Verbraucher/innen bzw. der demokratischen Gesellschaft als solche wünschenswert sind. Und darauf aufbauend die Fähigkeit an der Gestaltung der Gesellschaft teilhaben zu können.

Thematisch besitzt schulische Verbraucherbildung ganz selbstverständlich Schnittstellen zu anderen Themenbereichen der schulischen Bildung. Sie wird aber von diesen nicht vollständig abgedeckt, noch deckt sie diese vollständig ab. Diese Schnittstellen zwischen Verbraucherbildung und den anderen schulischen Bildungsbereichen veranschaulicht folgende Abbildung 1.

Abbildung 1: Schulische Verbraucherbildung und ihre Schnittstellen

Schnittstelle

Quelle: eigene Darstellung, in Anlehnung an Schlegel-Matthies 2011, S. 9.

In Abgrenzung zu den anderen Bildungsbereichen umfasst schulische Verbraucherbildung thematisch letztlich alle rechtsgeschäft(sähn)lich relevanten Entscheidungsbereiche der Schülerinnen und Schüler als Verbraucherinnen und Verbraucher. Unserer Bildungstätigkeit liegt damit auch das Verständnis zugrunde, dass Verbraucherentscheidungen den Abschluss bedarfsgerechter, die Kündigung nicht bedarfsgerechter bzw. die Abwehr untergeschobener Rechtsgeschäfte (Verträge) zum Gegenstand haben.
Umgesetzt wird schulische Verbraucherbildung innerhalb eines inhaltlich-konzeptionellen Rahmens. Diesen Rahmen bilden die folgenden drei Dimensionen:

  • Dimension „Entscheidungsfindung“: Schulische Verbraucherbildung vermittelt produkt- und prozessbezogene Informationen und verbraucherrechtliche Kenntnisse, die zur bedarfsgerechten Entscheidungsfindung benötigt werden. Diese Kenntnis dient Schülerinnen und Schülern zur Vorbereitung und Reflexion ihrer bedarfsgerechten Entscheidung.
  • Dimension „Überredungswissen“: Schülerinnen und Schüler reflektieren und treffen ihre Entscheidungen in einem Umfeld gegensätzlicher Interessen, das auch durch Überredungsversuche der Unternehmen und anderer gesellschaftlicher Akteure gekennzeichnet ist. Zur Verbraucherbildung gehört daher auch die Vermittlung von so genanntem „Überredungswissen“, um sich gegen Überredungsversuche behaupten zu können. Dies bedeutet, dass Inhalte und Ablauf von Überredungsversuchen ebenso im Rahmen der schulischen Verbraucherbildung vermittelt werden, wie die Möglichkeiten der Reflexion über Überredungsversuche und die eigene Kontrolle dieser Vorgänge. Dabei fördert schulische Verbraucherbildung auch die Reflexion der eigenen Bedürfnisse sowie der eigenen Grund- und Wahlbedarfe. Schulische Verbraucherbildung unterstützt Schülerinnen und Schülern so dabei, ihre reflektierten Entscheidungen auch in einem Umfeld widerstreitender Interessen bedarfsgerecht umsetzen zu können.
  • Dimension „Reflexion über den Markt“ (oder „gesellschaftspolitische Dimension“): Schulische Verbraucherbildung nimmt die gesellschaftlichen Bedingungen und Strukturen innerhalb derer Verbrauchrinnen und Verbraucher ihre Entscheidungen treffen in den Blick. Zu ihr gehört also auch die Förderung der Reflexion darüber, ob und welche gesellschaftlichen Herausforderungen durch den Markt, d.h. durch Verbraucherentscheidungen bearbeitet und gelöst werden können bzw. sollen. Mit Berücksichtigung dieser Dimension wahrt schulische Verbraucherbildung ihre Anschlussfähigkeit an die tatsächlichen Lebenswelten der Schülerinnen und Schüler.

Dreh- und Angelpunkt der schulischen Verbraucherbildung bilden die Schulfächer. Die dort vermittelten Kompetenzen bilden die Grundlage für die Entwicklung eines selbstbestimmten Verbraucherverhaltens. Diesen Zusammenhang veranschaulicht Abbildung 2 beispielhaft für die Verbraucherbildung und den Themenbereich ökonomische Bildung anhand ausgewählter Schulfächer.

Abbildung 2: Verbraucherbildung und Schulfächer

Schnittstellen 2

Quelle: eigene Darstellung.

Beispielsweise besitzen für den Teil der Verbraucherbildung, der Schnittstellen zur ökonomischen Bildung besitzt, die Kompetenzen zentrale Bedeutung, die etwa mit den Schulfächern Wirtschaft, Geschichte, Mathematik und Deutsch vermittelt werden.

Wir treten darüber hinaus dafür ein, dass Verbraucherbildung frei von wirtschaftlichen Interessen ist und bleibt sowie den Erwerb der Verbraucherkompetenzen unternehmensunabhängig ermöglicht. Dabei stützen wir uns auf den KMK-Beschluss aus 2013 zur Verbraucherbildung. Dies gilt für uns sowohl für den unmittelbaren Unterricht und dessen Unterstützungsangebote als auch für Gestaltung und Förderung (z.B. Sponsoring) von Veranstaltungen zur Ausbildung und Fortbildung von Lehrkräften. Zudem schließt für uns die Forderung nach Unabhängigkeit auch unternehmensnahe Einrichtungen (z.B. Verbände, Stiftungen) von der Beteiligung an Verbraucherbildung aus.

Literatur
Friestad, Marian; Wright, Peter (1994): The Persuasion Knowledge Model: How People Cope with Persuasion Attempts. In: Journal of Consumer Research 21, S. 1–31.
Häußler, Angela; Küster, Christine (2013): Vorsicht Falle! Oder: Gibt es den ethisch korrekten Weg zur Vermittlung von Konsumkompetenz? In: Haushalt in Bildung & Forschung (2), S. 86–97.
Jaquemoth, M.; Hufnagel, R. (2018): Verbraucherpolitik : ein Lehrbuch mit Beispielen und Kontrollfragen. Stuttgart : Schäffer-Poeschel Verlag
KMK (2013): Verbraucherbildung an Schulen - (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 12.09.2013, zuletzt geprüft am 24.03.2022.
Kuhlmann, Eberhard (1990): Verbraucherpolitik. Grundzüge ihrer Theorie und Praxis. München: F. Vahlen (Vahlens Handbücher der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften).
Pauen, Michael; Welzer, Harald (2015): Autonomie. Eine Verteidigung. 1. Aufl. Frankfurt am Main: S. Fischer (Sachbuch (allgemein)).
Raffel, L.-A.; Allert, H.; Richter, C. (2022): Mitgestaltungskompetenz als eine Grundlage kritischer Datenkompetenz. In: merz – Zeitschrift für Medienpädagogik, Heft 6, S. 118 – 130.
Schlegel-Matthies, Kerstin (2011): Was ist Verbraucherbildung? - Was kann sie leisten? In: Haushalt & Bildung (2), S. 3–10.
Schlegel-Matthies, Kerstin (2013): Ethik, Konsumentenverantwortung und Verbraucherbildung im Spannungsfeld. In: Haushalt in Bildung & Forschung (2), S. 61–70.
Schwarzer, Ralf; Jerusalem, Matthias (2002): Das Konzept der Selbstwirksamkeit. In: Zeitschrift für Pädagogik 44 Beiheft, S. 28–53.
Tamm, Miriam (2011): Verbraucherschutzrecht : Europäisierung und Materialisierung des deutschen Zivilrechts und die Herausbildung eines Verbraucherschutzprinzips. Tübingen : Mohr Siebeck, S. 13–18.
Ulrich, Peter (2001): Wirtschaftsbürgerkunde als Orientierung im politisch-ökonomischen Denken. Online verfügbar unter http://www.sowi-online.de/sites/default/files/wirtschaftsbuergerkunde-ulrich.pdf, zuletzt geprüft am 24.03.2022.


Eine Einordnung und eine Abgrenzung
Verbaucherbildung ist auch ein Instrument der staatlichen Verbraucherpolitik. Als solches dient sie dazu, die strukturelle Benachteiligung der Verbraucher:innen zu überwinden oder wenigstens zu verringern.
Sollen Verbraucher:innen von politischer bzw. staatlicher Seite jdeoch zu einem bestimmten Konsumverhalten animiert, „sensibilisiert“ oder „erreicht“ werden, dann handelt es sich um Verbrauchslenkung.
Verbrauchslenkung erfolgt mehr oder weniger subtil. Kommt sie - etwa im Kontext schulischer Bildung - unter der Überschrift Verbraucherbildung daher, stellt dies die Indienstnahme der Verbraucherbildung für andere (politische) Ziele als die Stärkung der wirtschaftlichen Selbstbestimmung und die Überwindung der strukturellen Benachteiligung dar. Gesellschaftspoltisich mögen solche Ziele zwar legitim sein. Nur mit Verbraucherbildung hat dies dann offenkundig nichts zu tun.
Beispiele:
"...um auch diejenigen zu erreichen, die bisher noch nicht hinreichend bei dem Thema [xy] sensibisliert wurden..."
"...wir fördern eine xy Ernährung..."
"...wir wollen Verbraucherinnen bei dem Thema xy Konsum erreichen..."
"...wir wollen die Aktienkultur stärken...


Beutelsbacher Konsens und Verbraucherbildung

3. Die Schülerin/Der Schüler muss in die Lage versetzt werden, eine (verbraucherpolitische) Situation und ihre/seine eigene Interessenlage zu analysieren, sowie nach Mitteln und Wegen zu suchen, die vorgefundene (verbraucherpolitische) Lage im Sinne ihrer/seiner Interessen zu beeinflussen.

Strukturelle Benachteiligung und Verbraucherbildung

Verbraucherbildung vermittelt die Kompetenzen, die es Verbraucher:innen ermöglichen, angesichts marktimanenter struktureller Benachteiligung selbstbestimmt individuell bedarfsgerechte Entscheidungen treffen zu können.

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